C D s
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NEUES AUS
DER MUSIKWELT
von Thomas Hintze
Aus seiner umfangreichen CD-Sammlung
fischt der Jazz-Kenner und -Liebhaber
Thomas Hintze für die STEREO-Leser jeden
Monat die schönsten Schätze. Im Folgenden
widmet er sich den Standards.
M e i n e J a z z S t a n d a r d s
„T h e Song Is Y ou“
I
n dieser Ausgabe geht es wieder
einmal auf den Broadway zurück:
1932 wurde dort das Musical „Mu-
sic In The Air“ uraufgeführt, in dem
sich unser Standard wiederfindet.
Kritiker meinen, dies sei eine der
schönsten Kompositionen des be-
rühmten Jerome Kern (den Text da-
zu lieferte Oscar Hammerstein II).
Viele Jazzmusiker haben sich die-
sem Urteil angeschlossen, und so
ist die Auswahl mehr als reichlich.
Leider finden sich aber immer öf-
ter Standardfassungen auf Sam -
melalben wieder, und anstatt Ih-
nen zum Beispiel eine Zehn-CD-
Box mit Stan Getz zu empfehlen,
halte ich mich in der Hinsicht lie-
ber zurück und beschränke mich
auf Originalalben
Lassen Sie mich mit zwei Künst-
lern beginnen, die stellvertretend
für ein reges Musikerleben ste-
hen:
Lee Konitz
und
Jimmy Giuffre.
Konitz hat bis in die jüngste Zeit
noch hervorragende Einspielun-
gen gemacht, da war er schon weit
über die 80 Jahre alt. Immer schon
hat er sich gern einen kongenialen
Partner gesucht, und das war zur
(Tenorsaxofon), Bill Evans (Klavier)
Buddy Clark (Bass) und Ronnie Free
(Schlagzeug) beteiligt. Ich mag ein-
fach diesen homogenen Sound, der
mit seinen „Verwebungen“ span-
nend zu verfolgen ist. Und dass die
Aufnahme 1959 nicht in Stereo ge-
macht wurde, schmälert den Mu-
sikgenuss in keiner Weise.
Danach eignet sich die SACD
„Upswing!“
von
The Pete Cater Big
Band
(Vocalion) hervorragend, ver-
mochte diese Big Band doch den
Drive der Konitz/Giuffre-Formati-
Aufzählung der Solisten verkneifen,
obwohl sie ihrem Bandleader eben-
bürtig sind. Im Übrigen handelt es
sich hier um eine Hybrid-SACD, die
somit in jedem CD-Spieler läuft.
Eine kleine Abkühlung gefällig?
Dann ist
Chet Bakers
Album
„Peace“
(Enja) genau das Richtige. Baker
präsentierte sich 1982 in New York
in großartiger Spiellaune. So hält
er einerseits das Tempo hoch und
bläst andererseits dabei eine wun-
derbare, nahezu lyrisch klingende
Trompete. An seiner Seite ist der
Baker-Fans und solche, die es wer-
den wollen.
Der Kontrabass muss bei der De-
monstration einer Anlage oft als Ef-
fektinstrument herhalten, doch da-
zu eignet sich die Musik des Bassis-
ten
Niels-Henning 0rsted-Peder-
sen
zum Glück nicht. Er verwendet
den Bass stattdessen oft als Melo-
dieinstrument, so auch auf der CD
„This Is All I Ask“
(Verve). Das ge-
schieht in der Form, dass er das
Thema vorstellt und erst, wenn sei-
ne Kollegen einen Solopart über-
nehmen,
in
den
Rhythmusteil
übergeht - so auch hier bei „The
Song Is You“. Neben Niels-Hen-
ning
0
rsted-Pedersen wirkt noch
sein Freund Ulf Wakenius an der
Gitarre mit, dazu Jonas Johansen
am Schlagzeug. Welche Wertschät-
zung dieser leider zu früh gestorbe-
ne Ausnahmebassist
in der Welt
der Jazzmusik erfahren hat, zeigt
sich auch an den „Special Guests“.
Da finden wir Phil Woods auf dem
Altsaxofon oder Oscar Peterson in
einem dänischen Volkslied, das Pe-
dersen arrangiert hat. Ich muss dies
unbedingt besonders erwähnen,
Lee Konitz, Jimmy Giuffre:
Lee Konitz Meets Jimmy Giuffre
Niels-Henning 0rsted-Pedersen:
This Is All I Ask
The Pete Cater Big Band: Upswing!
Chet Baker: Peace
Zeit der Aufnahme von
„Lee Ko-
nitz Meets Jimmy Guiffre“
(Verve)
Letztgenannter: ein experimentier-
freudiger Saxofonist, der sich an
der Westküste niedergelassen hat-
te und die Musik bei Shelly Manne
und Shorty Rodgers prägte. Zudem
war er ein gefragter Komponist und
Arrangeur, und so ist es nicht ver-
wunderlich, dass diese Aufnah-
men seine Handschrift tragen. „The
Song Is You“ kommt hier in einem
schnellen Tempo daher und klingt
wie von einer kleinen Big Band ge-
spielt. Neben Konitz (Altsaxofon)
und Jimmy Giuffre (Baritonsaxofon)
sind noch Hal McKusik (Altsaxo-
fon), Warne Marsh und Ted Brown
on in die klanglichen Sphären der
heutigen Zeit zu transferieren. Die
CD beginnt gleich mit einer kraftvol-
len Version von „The Song Is You“,
woran nicht zuletzt Schlagzeuger
Pete Cater beteiligt ist, einfach Ex-
traklasse. Kaum zu glauben, dass
es heute noch solch eine swingen-
de Big Band gibt, dazu noch aus
England. Auf der Homepage Pete
Caters schreibt übrigens ein Kri-
tiker, dass Cater mit einem Trom-
melstock zur Welt gekommen sein
muss. Genau das ist auch mein Ein-
druck. Klar hat er Louis Bellson und
Buddy Rich als Idole, aber Epigone
ist er auf keinen Fall. Leider muss
ich mir auch aus Platzgründen die
Bassist Buster Williams, der auch
gleich ein virtuoses Solo einstreut,
dazu David Friedman an Marimba
bzw. Vibrafon sowie Joe Cham-
bers am Schlagzeug. Selten habe
ich Chet Baker so entspannt mu-
sizieren hören, er singt hier auch
nicht, sondern widmet sich ganz
seinem Instrument. Es kam nicht
oft vor, dass er in dieser Phase sei-
nes Lebens zeigen konnte, welch
herausragender Trompeter er war.
Schön auch, dass Enja diese CD
2007 mit geändertem Cover neu
auflegte. Die Klangqualität ist aus-
gezeichnet, wie von diesem Label
nicht anders zu erwarten. Kurz: ein
echtes Sahnestück für alle Chet-
denn „ I Skovens Dybe Stille Ro“
wird ganz sicher nicht in meiner
Standards-Rubrik auftauchen, auch
wenn es hier wunderbar interpre-
tiert wird. Ich habe das Gefühl, dass
sich auch Oscar Peterson in die-
se Melodie verliebt hat, zumindest
aber der Heimat seines über viele
Jahre begleitenden Bassisten seine
Reverenz erweisen wollte. Zwei Ti-
tel werden übrigens durch Gesang
ergänzt. Einmal handelt es sich um
die Schwedin Monika Zetterlund
und dann um Monique: eine wun-
derbare Stimme, die ihre Wurzeln
im Gospel zu haben scheint. Ich
wünsche Ihnen viel Spaß beim Hö-
ren, Ihr Thomas Hintze.
138 STEREO 3/2014
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